• "Peter Truschner gehört zu jener aussterbenden Künstlerspezies, die stets aufs Ganze gehen muss." ***** Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • "A powerful use of image and poetry." ***** Roger Ballen, Photographer

  • "Terribly beautiful and fascinating" **** Richard Mosse

  • "Peter Truschner schont in seinen Texten über eine Welt, in der es um den Preis und nicht um den Wert einer Ware, der Arbeit oder des Lebens geht, weder sich noch den Leser." ***** Stefan Gmünder, Der Standard

  • "Peter Truschner belongs to the almost extincted sort of artists who always have to go all out." ***** Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • "A great amount of good photography." ***** Myrto Steirou, VOID

  • "Peter Truschner ist nicht nur ein wacher und sensibler Beobachter, sondern ein Erlebender des Wahnsinns, der um uns herum geschieht." ***** Martin Kusej, Burgtheater Wien

  • "Ist das immer schon so gewesen, dass man eines Tages hinter seinem warmen Ofen hervorgeholt und an den Haaren ans Ufer gezerrt und in die kalten Betriebsfluten getaucht und getauft wurde im Namen des Geschäfts?" ***** aus: Im Namen des Geschäfts

Copyright 2024 - Peter Truschner - All rights reserved // „Peter Truschner gehört zu jener aussterbenden Künstlerspezies, die stets aufs Ganze gehen muss.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

Essays

 

Der Gegenspieler

Wodurch erklärt sich das unentwegte Ja- und Neinsagen in Steidls Werk? Das eine im andern, das eine gegen das andere? Dass noch das Gelungenste durchgestrichen wirkt und das Durchgestrichene, wenn es Zeit ansetzt und Ferne, gelungen, weil vom Gelingen befreit? Dass sich beides nicht in das einmal gefällte Urteil fügen will? Das eine bespiegelt und gefährdet das andere - die Fülle die Leere, das Licht die Dunkelheit, die Frage die Antwort -, ohne es jedoch zu sein. Zwillinge, die miteinander aufwachsen, beieinander bleiben, jedoch nicht aus einer einmal fürs Leben getroffenen Übereinkunft heraus, sondern für jede Kritzelei, jede Skizze immer wieder aufs Neue.
Steidl ringt in seiner Malerei jedoch nicht mit sich selbst in dem Sinn, dass dies Rückschlüsse auf eine Geschlossenheit oder Einheitlichkeit des Seinigen, ja des Eigenen überhaupt zuließe, in dem das eine und das andere nur die eine und die andere Seite ein und derselben Medaille sind.
Ein Maler, der die hypothetische Kehrseite der einen Sache, die er anstrebt, solcherart zu instrumentalisieren versteht, ist ein Maler des Gegenspiels. Er inszeniert Szenarien des Widerspruchs, des Ekels, der Tragik, um die offenbaren Unvereinbarkeiten schließlich in einem Akt der Aneignung für ein Bild oder einen konsistenten Stil zu nutzen. Sein Auge, sein Pinsel behalten den Überblick und treffen den Sachverhalt schlussendlich an seinem Ort, der immer auch schon der ihre war.
Das Gegenspiel ist ein Arrangement zwischen Behauptung und Widerspruch. Einem Entwurf setzt man einen zweiten entgegen, der die Grundlagen des ersten scheinbar in Frage stellt. Scheinbar, weil es sich bei derlei Selbstgefährdung nur um ein Als-ob handelt, einen Scheinangriff. Man hat in Wahrheit nie die Fronten gewechselt, kommt erst gar nicht dazu, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.
Johannes Steidls Malerei ist keine Malerei des Gegenspiels, sie ist eine Malerei des Gegenspielers. Steidl hat sich selbst als Widersacher in seiner Malerei verankert, als Feind. Als Institution des Zweifels, des Abscheus. Des Widerstands gegen jeden Pinselstrich, der gesetzt, jede Entscheidung, die für und wider die eigene Berufung getroffen wurde. Am Erreichten zeigt sich sofort und essentiell das Unerreichte. Am Unternommenen das Unterlassene. Von einer solchen Position aus ist es genauso verwerflich, der eigenen Natur gemäß zu malen wie gegen die eigene Natur. Aus den eigenen Erfahrungen zu schöpfen wie sie beiseite zu drängen. Nicht zu wissen, wann es sinnvoller ist, in einer Wunde - einer schmerzvollen Lücke, einer Randständigkeit - zu bohren oder sie zu verschließen. Weil man erst gar nicht dahin kommt, zu wissen, ob man das eine tut oder das andere.
Wenn ich vom Feind Abschied nehme, schreibt Derrida, bin ich nicht um diesen oder jenen Gegner oder Konkurrenten gebracht, nicht um eine bestimmte Oppositionskraft, die mich konstituiert, nein, ich verliere nicht mehr oder weniger als die Welt.
Demzufolge wäre die Vernunft ebenso mit der Feindschaft im Bunde wie die Unvernunft, sie wären gleichsam Freundinnen der Feindschaft.
Wenn das Ja! nicht immer noch ein weiteres Ja! braucht, um sich zu konstituieren, sondern immer wieder ein weiteres Nein!, so braucht das Ja! bei Steidl nicht zu horchen, zu warten. Dem Körper der Widersprüchlichkeit, den Steidls Malerei darstellt, entwachsen beide Imperative als Auswüchse ein und derselben Zunge. Ein Wechseln der Seiten wäre sinnlos, ja unmöglich. Einen Standpunkt, der mehr oder weniger Recht hätte eingenommen zu werden als ein anderer, gibt es in einem solchen Koordinatensystem nicht. Aus den Früchten dieser Malerei lässt sich keine wie auch immer geartete Notwendigkeit herausschälen. Warum sich also nicht gleich nach ultimativer Erschöpfung sehnen, nach Anfangs- und Endlosigkeit einer Arbeit, nach der Blindheit der Natur? Sie hat definitiv keine Adresse, an die man seine Anliegen richten könnte. Sie braucht nicht zu wissen, nicht zu entscheiden. Nicht einmal zu sein. Vielleicht ist Steidl ja deshalb ein wahrer Maler nach der Natur. Wie sie ist er ein Bastler, der umgehend ausschlachtet, was ihm gerade gelang.
Im Blick des Anderen liegt der heimliche Tod der eigenen Möglichkeiten. In der Malerei des Gegenspiels ist dieser Blick - die Geste der Enteignung des Werks - der Blick eines Betrachters. Er ist Folge und Ereignis. In der Malerei des Gegenspielers ist dieser Blick der eigene Blick als Anderer. Er ist Ursache und Zustand. Die Kluft zwischen beiden bezeichnet das Wüten des schlussendlich gezogenen und über diesen Abgrund des Wahnsinns gespannten Nervs der Malerei Johannes Steidls, eines Wahnsinns in Sinne Foucaults: des Fehlens der Arbeit, der Abwesenheit des Werks.

 

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